Mit Fingern Gesten auf einer Glasoberfläche zu wischen, ist schon ein revolutionäres Bedienkonzept, doch 2017 bricht endgültig das Zeitalter der Sprachsteuerung an. Klar haben wir es schon mit Siri, Cortana und “Ok, Google” versucht, doch es läuft bislang leidlich das alles so mittelmäßig. Amazon schlägt nun ein neues Kapitel auf. Nach vier Monaten Deutsch lernen hat der Lautsprecher Echo ausreichend Sprachkenntnisse, um auf die breite Masse losgelassen zu werden. Abergläubisch ist man bei Amazon auch nicht und so gibt es seit dem 13. Februar die “Röhre” und den “Puck” auch ohne Einladung zu kaufen.
Amazon Echo und Echo Dot
Fangen wir vorn an: Amazon Echo (179,99 €) ist eine 23,5 cm hohe Röhre mit Lautsprecher und sieben Mikrofonen (in Weiß oder Schwarz). Der Echo Dot (59,99 €) ist eine Puck-große Scheibe, auch mit kleinem Lautsprecher und Mikrofonen auf der Oberseite. Beide Geräte sind die Schnittstelle zu Amazons Rechenzentren. Sie lauschen auf Befehle, senden die Aufnahme an einen Server, wo sie “übersetzt” werden. Handelsriese Amazon sieht die Echo-Reihe als verlängerten Einkaufszettel. Man sagt dem Gerät, was Amazon einem schicken soll. Doch die meisten Besitzer nutzen es bislang beim Kochen (“Stell den Timer auf zehn Minuten”) sowie zur Musikwiedergabe. Mit Schnittstellen zu TuneIn, Spotify als auch Audible (gehört auch zu Amazon) sind die Echos komfortable Abspielgeräte. Wobei: Musik auf dem kleinen Puck zu hören, ist kein Vergnügen. Bei mir verbindet ein Audiokabel die Echo Dot und eine Sonos Play 5. Damit wird meine Musik auch auf den Sonos-Lautsprechern abgespielt. Das ist zwar noch eine “Krücke”, doch laut Sonos kommt die Echo-Unterstützung Anfang 2017. Also quasi jetzt …
Dauerhafte “Wanze” daheim installiert?
Man muss Amazon vertrauen, dass die sieben Mikrofon nicht ständig “zuhören” und erst nach dem Aktivierungswort die Aufnahmefunktion anspricht. Wobei: Um das Aktivierungswort zu erkennen, muss das Gerät ja ständig in Bereitschaft sein und zuhören. Ist Alexa aktiviert, wird jeder Satz zur Auswertung geschickt. Was man so im Laufe der Zeit gefragt hat, kann man in der App nachlesen. Hier kann man auch angeben, ob Alexa einen richtig oder falsch verstanden hat. So wird das System verbessert. Das Aktivierungswort kann man leider nicht frei wählen. Zur Auswahl stehen derzeit: Echo, Dot, Computer und Alexa. Was aber beeindruckt ist die Fernfeld-Spracherkennung: Trotz diverser Hintergrundgeräusche erkennt Echo, woher der Sprachbefehl kommt und versteht ihn. Wie erwähnt, bei mir steht der Puck halb verdeckt hinter einem Lautsprecher. Selbst wenn Musik wiedergegeben wird, versteht mich der kleine Teufelskerl.
Skills schaffen neue Verbindungen
In meinem Haushalt steuert Tado die Heizung. Wenn ich die automatische Steuerung mal aufheben und es wärmer haben möchte, sage ich es dem Dot. In Sachen Smart Home kann das System Geräte von WeMo, Philips Hue, Netatmo, Home Connect, Innogy und eben Tado steuern.
Mit Skills kann man die Funktionen des Echo-Systems erweitern. Da gibt es bereits Erweiterungen für die Deutsche Bahn, MyTaxi, innogy Smarthome, Chefkoch und die Berliner Verkehrsbetriebe. Entwickler können eigene Erweiterungen für die Sprachplattform entwickeln. Wer programmieren kann, findet den Echo-Code Github und kann sich mit einem Raspberry Pi seine eigene Sprachsteuerung für zuhause basteln.
Noch ein wenig Übung notwendig
Meine Frage nach einem Pizza-Rezept bei Chefkoch liefert mir fünf Rezepte für Rindfleisch-Gerichte. Die Rezepte kann ich mir vorlesen lassen, in der Alexa-App anschauen oder an die Mailadresse senden. Ich wähle Letzteres, doch das Rezept taucht in meiner Inbox nie auf. Bei den Befehlen in den Skills als auch den Grundfunktionen bedarf es ein wenig Übung. Außerdem muss man erst mal alle möglichen (Standard-)Befehle “erlernen” bzw. in einer der diversen Sammlungen nachschauen.
Wenn Echo die Büroadresse kennt, kann sie einem die aktuelle Verkehrslage ansagen. Man kann Kalender-Einträge erstellen oder vorlesen lassen (nur mit einem Google Kalender). Sie kann die Nachrichten (Tagesschau) und den Wetterbericht vorlesen. Als Ergänzung für Echo und Dot gibt es eine Sprachfernbedienung (24,99 €) von Amazon, falls man auf dem Sofa zu weit weg ist für die Röhre oder den Puck. Mit der Fernbedienung kann man auch die Medienwiedergabe am Amazon Fire TV steuern.
Der Kampf um die Sprachhoheit
Wettbewerber Google will seinen Google Home-Lautsprecher auch noch im Frühjahr 2017 auf den deutschen Markt bringen. In den USA kostet die Smart Home-Steuerung 130 Dollar. Die Spracherkennung heißt hier schlicht Google Assistent und reagiert auf “Ok, Google”, wie man es von den Smartphones bereits kennt. Doch der Assistent ist eigentlich erst im Smartphone Pixel und in der App Allo verbaut. Somit spricht Googles Assistent also bereits Deutsch. Google dürfte im Vergleich zu Amazon noch einen Vorteil haben: mehr Daten der Nutzer. Browser-Suchverlauf, YouTube, Gmail und die diversen anderen Dienste liefern Google bereits ein präzises Bild, was die Nutzer so machen und wollen.
Da Google Home via Gmail die Flugbestätigung erhalten hat, kann der Lautsprecher auf die Frage antworten, von welchem Gate der Flug abgeht. Während Echo auf einen vorab festgelegten Katalog an Sprachbefehlen reagiert, analysiert Google Home den kompletten Satz und versucht Sinn und Kontext in maschinenlesbaren Code zu übersetzten. Langfristig dürfte Google damit die Nase bei der sprachbasierten Suche vorn haben. Doch mit einem muss man seinen Frieden schließen: Sämtliche gesprochenen Sätze landen auf den Servern der beiden großen US-Anbieter und wer da so alles noch Zugriff hat wissen bzw. ahnen wir.