Schaut man sich die Fotos von Harrodsburg bei Google Maps an, hat man schnell den Eindruck, dies sei so ein hinterwäldlerisches Kaff in Kentucky, in dem die Whiskey-Werbung gedreht wurde. Weit gefehlt. Seit 1952 stellt das Unternehmen Corning hier Glas her. Das Unternehmen gibt es bereits seit 1851. Jetzt investiert Apple 200 Millionen Dollar aus seinem Advanced Manufacturing Fund in die weitere Forschung & Entwicklung des Gorilla Glas Herstellers. “Corning is a great example of a supplier that has continued to innovate and they are one of Apple’s long-standing suppliers,” sagt Jeff Williams, Apples COO.

Mit dem Advanced Manufacturing Fund hat Apple ein Wirtschaftsförderungsprogramm aufgelegt, dass insgesamt eine Milliarde Dollar umfasst. Mit dem Geld sollen neue High-Tech-Jobs in den USA geschaffen werden. “Corning’s longstanding relationship with Apple […] has also helped create nearly 1,000 American jobs and allowed us to continue growing and expanding in the US,” sagt Wendell P. Weeks, Cornings SEO und President.

Apple, die ihre Produkte vorwiegend von Unternehmen wie Foxconn in Asien fertigen lassen, sind mit der Trump-Regierung unter politischen Druck geraten. “Make America great again” kann nur funktionieren, wenn ausreichend Leute Arbeit haben. Qualifizierte Jobs in der Produktion wurden jedoch quer durch die US-Wirtschaft ins Ausland verlagert. Darum betont Apple in seiner aktuellen Pressemitteilung, für zwei Millionen Jobs in allen 50 US-Bundesstaaten verantwortlich zu sein. Insgesamt habe Apple im vergangenen Jahr 50 Milliarden Dollar bei mehr als 9.000 Herstellern und Zulieferern in den USA gelassen.

Jobs gegen Steuererleichterungen?

Bereits 2013 startete Apple die Produktion des neuen Mac Pro (die schwarze Tonne) in den USA. Doch firmenintern wurde bereits eine Verlagerung nach Asien diskutiert, da die Fertigung im Heimatland zu langsam anläuft. Doch Tim Cook sind die Hände gebunden. Er muss die Trump-Regierung mit neuen Jobs milde stimmen. Im Gegenzug dürfte Apple von der geplanten Steuerreform profitieren. Noch werden auf Gewinne aus dem Ausland 35 Prozent Steuern fällig. Ein Großteil der 257 Milliarden Dollar Barreserve von Apple lagern auf Konten außerhalb der USA. Trumps Reform könnte den Steuersatz für diese Gelder auf zehn Prozent drücken. Geld, das Apple im Heimatland für Forschung und Entwicklung (Autos und was immer da kommen mag) gut gebrauchen kann.

Warum Gorilla Glas?

Gorilla Glas-Hersteller Corning ist übrigens bereits von Anfang an mit dabei. Das allererste iPhone hatte 2007 bereits bruchsicheres Glas. Wobei, bruchsicher ist so eine Sache: Kaum jemand in meinem Bekanntenkreis hatte nach einem iPhone-Sturz nicht die Spiderman-App (vulgo: gesprungener Bildschirm) auf dem Display. Woher der Mythos mit bruchfestem Glas kommt, ist also fraglich. Genau wie die Frage nach dem Namen? Warum benennt man Glas nach einem Menschenaffen? „Die Produkteigenschaften Schönheit und Stärke finde man auch bei den Silberrücken-Gorillas“, so eine Unternehmenssprecherin. Um die Kurve doch noch zu bekommen, unterstützt das Unternehmen seit 2011 die Arbeit von Dian Fossey, die mit dem Gorilla Fund International die wildlebenden Tiere in Afrika schützen und erhalten möchte.

Steve Jobs Biograf Walter Isaacson beschreibt den Anfang der Zusammenarbeit beider Unternehmen sehr schön. 2006 reist Steve Jobs nach Harrodsburg. Im Büro von CEO Wendell P. Weeks begann er sofort mit einer Lehrstunde in Sachen Glasproduktion. Weeks staunte nicht schlecht, war er doch seit 1983 im Unternehmen. „Können Sie mal still sein?“, unterbrach Weeks den Apple-Chef. Dann referierte er über den Ionenaustauschprozess bei der Glasherstellung. Das bruchfeste Glas sei noch im Laborstadium. Er glaube nicht, dass Menschen Filme und Fernsehen auf kleinen Handy-Bildschirmen sehen wollen. Darum experimentieren seine Ingenieure mit Laser-Projektionen in tragbaren Geräten. Jobs tat das als “dumme Idee” ab, aber dieses Gorilla-Glas sei genau das Richtige für seine Pläne: „Ich möchte davon so viel, wie Sie in sechs Monaten produzieren können.“ Weeks schüttelte den Kopf und erklärte ihm, dass bislang kein Corning-Standort Gorilla-Glas produziere. So schnell ginge das nicht.

Jetzt kam Jobs’ berühmtes Reality Distortion Field zum Einsatz. Die Fakten interessierten den Apple-Chefr nicht, und er beschwor Weeks: „Haben Sie keine Angst, Sie können das schaffen.“ Einigermaßen beeindruckt ließ der Corning-Chef sein Werk in Harrodsburg, Kentucky, praktisch über Nacht von LCD-Bildschirmen auf Gorilla-Glas umstellen. Zum Start des ersten iPhones im Sommer 2007 war ausreichend Gorilla Glas vorhanden. Heute ziert eine gerahmte Nachricht das Büro von Weeks: „Wir hätten es nicht ohne euch geschafft, Steve Jobs.

Corning Gorilla Glas
Forschungs- und Entwicklungszentrum von Corning

Wie alles bei Corning begann …

Dr. Donald Stookey hat 1952 eine Mischung für lichtempfindliches Glas in seinem Brennofen. Die Temperaturanzeige ist defekt und statt der gewünschten 600 Grad, heizt der Ofen auf 900 Grad Celsius. Als der Chemiker den Fehler bemerkt, ist es bereits zu spät. Er nimmt die milchig verfärbte Probe mit der Zange aus dem Ofen. In seiner Wut  rutscht ihm der Brocken aus den Greifern und fällt zu Boden. Doch statt beim Aufprall zu zerspringen, bleibt der Klumpen in einem Stück. Es ist die Geburtsstunde synthetischer Glas-Keramik. Corning tauft die Erfindung Pyroceram. Doch für den Massenmarkt ist das zu sperrig. Unter dem Produktnamen Corning Ware erobert die extrem haltbare Glaskeramik in Form von Schüsseln und Tellern amerikanische Haushalte

Stookey und Kollegen entwickeln das Glas weiter. Die nächste Stufe heißt Chemcor, die 14 Mal mehr Druck als Fensterglas aushält. Sie kommt 1962 auf den Markt und der Hersteller möchte damit Gefängnisfenster, Telefonzellen und Autos ausstatten. Doch bis auf wenige Autohersteller bleibt die Nachfrage gering. Die Formel für Chemcor verschwindet 1971 in einer Schublade. Doch mit dem Erfolg von Handys schielt Corning auf diesen Markt. Ab 2005 arbeitet ein Forscher-Team unter dem Projektnamen Gorilla an bruchfesten Glassorten. Heute geht Corning sogar so weit, unsere aktuelle Epoche als “Glass Age” zu bezeichnen (siehe Video).

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