Bei der Beschleunigung habe ich in dem Elektroauto die Wahl zwischen Sport und Wahnsinn. Im Englischen heißt der Modus Insane und geht zurück auf den Wunsch von Tesla-Gründer Elon Musk. Kann sich jemand vorstellen, dass der Boss eines deutschen Autoherstellers derartige Wünsche äußert? Sicher nicht und da wären auch Rechtsabteilung und andere Bedenkenträger davor. Aber genau das macht den amerikanischen Autohersteller so sympathisch. Und die Beschleunigung ist tatsächlich der Wahnsinn.
35 Schnellladestationen in Deutschland
Ich fahre mit bei der Tesla Supercharger Rallye durch Deutschland, von Nord nach Süd, von Hamburg bis nach München. Warum der iPhone-Fan? Na, das Auto ist auch nicht mehr als ein besseres iPad mit sehr großer Batterie (85 Kilowattstunden). Ich habe schon mal den Tesla S P85 getestet, aber nun gibt es ein Upgrade. Das Elektroauto hat ein D dazu bekommen. Das steht für Dual, der Wagen hat an beiden Achsen einen Elektromotor. Der vordere leistet 224 PS, der hintere 476 PS, macht zusammen 700 PS. In 3,3 Sekunden schafft es der 2,1 Tonnen schwere Wagen von Null auf 100 km/h. Aber das kann ich beim Start um 14:20 Uhr am Privathotel Lindtner in Hamburg-Harburg nicht austesten. Hier ist Tempolimit 50 km/h. Mit im Wagen sitzt ein Journalisten-Kollege und Tesla-Landeschef Philipp Schröder. Das Unternehmen möchte mit der Rallye durch die Republik zeigen, wie weit das hauseigene Schnellladenetz (Supercharger) bereits ausgebaut ist. Aktuell gibt es 35 Ladestationen in Deutschland, europaweit rund 140, mit jeweils zwei bis acht Ladesäulen. Die befinden sich meist auf Autohöfen in Autobahnnähe mit Restaurants, Imbissen, Toiletten, Waschanlagen und WLAN.
Gegen 15 Uhr führt uns der erste Stopp zum Musterhauspark von Viehbrock an der A7 bei Bad Fallingbostel. Unser weißer Tesla S P85D müsste nach den 90 Kilometern noch nicht an die Steckdose, aber wir sollen ja die Ladesäulen kennenlernen. Also Stecker aus der Halterung nehmen, Knopf an der Oberseite drücken und dem Heck des Wagens nähern, schon springt auf der linken Seite die Klappe auf. Sobald der Stecker drin ist, leuchten neben der Klappe drei grüne LEDs. Die Energie fließt mit einer Leistung von bis zu 120 Kilowatt in die Batterie – die Stromstärke (Ampere) hängt davon ab, wie viele Elektroautos an der Station zeitgleich laden. Bei diesem Mal liegen wir bei rund 170 A, bei späteren Stopps sind es auch schon mal über 210 A. Nach 30 Minuten ist die Batterie zu 80 Prozent geladen. Der Rest würde doppelt so viel Zeit kosten, weil das System den Stromfluß herrunter regelt, um die Batterie zu schonen. Das reicht aber vollkommen, den wir sind ja nicht mit Null Prozent an die Station gekommen. Die Ladeanzeige zeigt jetzt 318 Kilometer an, dass soll uns reichen. Für das italienische Bistro im Musterhauspark bleibt keine Zeit. Viehbrock hofft, dass die Tesla-Fahrer während der Ladezeit entweder ins Bistro kommen oder sich ein Musterhaus anschauen.
Entspanntes Fahren mit Assistenzsystemen
In den USA hat Tesla bereits vorgeführt, wie der Autopilot auf Autobahnen die komplette Kontrolle über das Fahrzeug übernimmt. Der Fahrer muss nichts mehr tun. Das ist auf den öffentlichen Straßen – in den USA und Deutschland – allerdings noch nicht zugelassen. Doch der Tesla S P85D verfügt bereits über etliche Assistenzsysteme: Totenwinkelwarnung, Spurhalteassistenz, Auffahrwarnung, Überholbeschleunigung und der Geschwindigkeitslimit-Assistent. Eine Menge Helferlein, die vor allem in Kombination mir viel Spaß bereiten. Ich stelle den Tempomat auf 120 und zwei Autolängen Abstand. Jetzt kann ich den Fuß vom Gas nehmen und muss nur noch lenken. Der Wagen hält konstant den Abstand zum Vorausfahrenden, beschleunigt der, macht mein Wagen das auch, aber nie über die eingestellte Höchstgeschwindigkeit. Drängt sich jemand dazwischen, bremst mein Model S sanft ab. Ist mir der Vordermann zu langsam, setze ich den Blinker und der Wagen beschleunigt ganz von allein, sucht sich den nächsten Vordermann und hält zwei Wagenlängen Abstand. Großartig, so entspannt bin ich noch nie Auto gefahren.
Kurz vor Hannover ist allerdings erst mal Schluss mit dem Fahrspaß, wir stehen im Stau. Aber selbst das ist spannend, denn ich kann die anderen Fahrer beobachten, wie sie auf unsere Kolonne von acht Tesla S reagieren. Ein älterer Herr reckt anerkennend den Daumen beim Vorbeirollen. Andere schauen bloß. Erkannt wird der Tesla, auch wenn er mit 1.500 zugelassenen Fahrzeugen im deutschen Straßenbild noch eine Seltenheit ist
Als der Verkehrs wieder fließt, treten mein Kollege und ich den Tesla S P85D ordentlich. Philipp Schröder ermutigt uns, alles auszuprobieren. Also beschleunigen wir wie die Weltmeister, spielen mit dem Internetradio, dessen Empfang im ländlichen Bereich schon mal Aussetzer hat, und öffnen das riesige Glasschiebedach, während wir langsamer unterwegs sind. Es ist schon toll, mit dem Finger über den Touchscreen zu streichen und damit festzulegen, wie weit sich das Glasdach öffnet. Aufgrund unserer Fahrweise zeigt die Energieanzeige kurz hinter Hildesheim eine Restreichweite von 60 Kilometern. Laut Verkaufsprospekt schafft der Wagen mit einer Batterieladung 480 km. Dann müssen Wind, Steigung, Beladung und Fahrer allerdings Idealbedingungen liefern und sehr zurückhaltend agieren. Doch 350 km sind ein realistischer Wert, den bislang kein Wettbewerber schafft.
Wir verlassen kurz nach 17 Uhr die A7 am Maxi-Autohof bei Rhüden. Hier stehen ebenfalls Tesla-Schnelllader. Die Batterie unseres weißen Testwagens surrt hörbar, während sie mit neuer Energie versorgt wird. Wir Fahrer nutzen die Zeit für einen schnellen Pippi-Stopp. Nach 20 Minuten geht es weiter. Vor lauter Ausprobieren, haben wir unsere roten Lunchboxen im Tesla-Look noch gar nicht geöffnet. Nun ist Zeit für einen Snack. Praktisch, dass es für Fahrer und Beifahrer einen Getränkehalter in der Mittelkonsole gibt. Der übrige Platz, der Dank einer fehlenden Antriebswelle zwischen uns frei ist, füllt eine bodentiefe Ablage. Die ist ungewohnt tief und hat keinerlei Unterteilung, dennoch rutschen meine Kamera, Smartphone, Geldbörse und Notizblock beim Fahren nicht hin und her. Wen das stört, findet im Zubehör-Handel für schlappe 550 Euro eine einsetzbare Mittelkonsole mit Fächern.
Auch das iPhone wird aufgeladen
Ansonsten ist es mit Ablageflächen knapp im Tesla Model S. In den Türen gibt es eine kleine Ausbuchtung, in die ein Handy passt. Natürlich gibt es ein Handschuhfach – übrigens neben dem Warnblinker das einzige im Auto, was sich mit einem mechanischen Knopf bedienen lässt. Unterhalb der Armauflage gibt es noch einen 12 Volt-Stromanschluss und zwei USB-Anschlüsse. Die Smartphones von Fahrer und Beifahrer sind also gut versorgt. Auf der Rückbank gibt es keine USB-Anschlüsse. Wer hier laden will, braucht ein langes Kabel oder muss sich etwas vorbeugen, um an sein iPhone während des Ladens zu kommen. Alternativ können Beifahrer und Fahrer (natürlich nicht beim Fahren) den Touchscreen zum Surfen im Internet nutzen. In dem Browser lassen sich Webseiten und Webmails aufrufen, per Tastatur kann man auf dem Bildschirm kann man die Mails auch beantworten. Der Bildschirm mit 43,18 Diagonale lässt sich teilen, so dass in der oberen Hälfte das Navi und in der unteren die Musikauswahl zu sehen ist. Jedes Model S ist standardmäßig mit einer SIM-Karte von O2 für 3G-Verbindungen (UMTS) ausgestattet. Auch das ist ein kostenloser Service von Tesla, für diese Verbindungen werden keine monatlichen Gebühren berechnet. Im ländlichen Bereich kann der Empfang schon mal schlechter ausfallen, da auch das Navi (Google Maps) auf die Datenverbindung zurückgreift, kann eine Routenberechnung bzw. das Laden des Kartenmaterials bei schlechtem Empfang etwas länger dauern. Telefonieren kann man mit der SIM-Karte nicht. Aber das eigene Handy lässt sich per Bluetooth-Verbindung mit der Freisprecheinrichtung des Wagens koppeln. Anrufer werden dem Fahrer auf seinem Display namentlich angezeigt (wenn die Nummer im Adressbuch hinterlegt ist).
Eigentlich sollten wir die Strecke in einer Kolonne fahren, doch die anderen Fahrer haben wir inzwischen aus den Augen verloren. Bis zum nächsten Stopp sind es nur wenige Minuten, kurz vor 18 Uhr erreichen wir Lutterberg, wo – ihr ahnt es schon – eine Schnellladestation steht. Hier stoßen noch weitere Tesla-Kunden dazu, einige wollen nur klönen, andere fahren einen Teil der Rallye mit. Wer einen Tesla fährt, gehört zu einer kleinen, eingeschworen Gemeinschaft, die sich gern mit ihresgleichen trifft und austauscht.
Die Tesla-Gemeinde
Das merkt man auch beim Erreichen unseres ersten Etappenziels nach 360 Kilometern Fahrt. In Kassel am Schlosshotel Bad Wilhelmshöhe taucht ein Tesla-Fan auf, weil er auf Facebook von der Rallye gelesen hat und die Autos mal “in echt” sehen möchte. Eine andere Frau berichtet der Tesla-Pressesprecherin wie begeistert sie vom Elektroauto ist. Sie hat im Fernsehen gesehen, dass die Elektroautos in der Stadt sind. Der Hessische Rundfunk hat kurz nach unserer Ankunft um 19 Uhr eine Live-Schalte in die Abendsendung gemacht. Dieser Wagen bewegt und begeistert einfach.
Supercharger Rallye Etappe 2: Von Kassel nach Wiesbaden …
Äh 30 Minuten laden mit 170 A dann 80 % geladen? Sind das Schätzwerte?
Der Ampere-Wert schwankt ja, je nachdem wie viele Autos an der Station hängen. Da ich nie allein an einem Supercharger war, konnte ich das nicht austesten. Aber ich vermute mal, dass sich die 30 Min = 80 Prozent auf Idealbedingungen beziehen, also allein an einer Ladestation sein, beziehen.
Ich war auf der Suche nach Berichten zur Supercharger Rallye. Leider sieht’s da (noch?) mau aus. Der kurze Beitrag vom hr ist … naja, nicht so gelungen.
Vielen Dank daher für Deinen Bericht. Bin schon auf den zweiten Teil gespannt!
Braucht es das “D”? Nun, Tesla will (und muss) einfach am Ball bleiben und das Interesse für sein Konzept und seine Technologie weiter schüren. Und die Rechnung geht auf: Inzwischen gibt es schon die ersten eingefleischten “Benzin-Freaks”, die sich dafür begeistern (siehe die Videos von JP Performance). Die nächsten Modelle werden kommen (Model X und Model 3) und dann wird (hoffentlich!) das ganze auch für deutlich mehr Kunden interessant.
Und, braucht es wirklich den P85″D”? Mehr Gewicht, weniger Reichweite, die Beschleunigung ist auch mit Zweirad-Antrieb schon mehr als ausreichend!
Brauchen…hm…eine Frage der Perspektive: Im Vergleich zum Model S ohne das D waren die Sitze deutlich bequemer, die Beschleunigung ist besser und die Energie-Effizienz ist Dank der zwei Motoren besser. Da hat Tesla echt noch mal einen Schritt nach vorn gemacht.