Rund die Hälfte aller Menschen lebt heute in Städten. Bis 2030 wird der Anteil auf 60 Prozent steigen. In den kommenden 14 Jahren entstehen 100 weitere Städte mit mehr als einer Million Einwohnern. Da der Raum begrenzt ist, stellt dies Stadtplaner vor Fragen: Wie bleiben die Menschen mobil? Wie versorgt man sie mit sauberem Wasser, Energie und Telekommunikation? Wie schont man die Umwelt. Die simple Antwort: Städte müssen schlauer werden. Wie das genau aussieht, diskutieren Experten auf der diesjährigen Smart City Expo in Barcelona. Die spanische Metropole zählt übrigens zu den Vorreitern der „schlauen Städte“. „Dieser Ansatz ist ein wichtiger Wettbewerbsfaktor geworden“, sagt Bruno Berthon, Global Managing Partner bei Accenture, „Je attraktiver eine Stadt ist, desto mehr Unternehmen siedeln sich an, was wiederum kreative und gut ausgebildete Menschen nach sich zieht.“

Das Internet der Dinge

Die Diskussion um schlauere Städte wird durch zwei Technik-Trends dominiert: M2M und IoT. Das steht für Maschine to Maschine und Internet of Things. Beides beschreibt, das Gegenstände eine IP-Adresse erhalten und über das Internet mit anderen Maschinen kommunizieren. Bis zu 50 Milliarden Geräte sollen bis 2020 das Internet der Dinge ausmachen. Das ergibt eine Menge Daten, die ausgewertet werden müssen. Das Geheimnis liegt oft in der Visualisierung, beschreibt es Oriol Ribera, External Relations Advisor bei Telefonica. In Barcelona gibt es eine öffentliches Leihfahrrad-System. Doch viele Stationen sind dauert leer. Riberas Team hat die Leihdaten auf einer Google Maps-Karte im Verlauf einer Woche als grüne und rote Balken dargestellt. Es gibt es klar abgegrenztes Stadtgebiet mit roten Balken (keine Fahrräder) und an den küstennahen Stadtteilen sind etliche Räder verfügbar. Da ging den Verantwortlichen ein Licht auf: Barcelona liegt an einem Hang, zum Meer hin geht es bergab. Die meisten Leute sind zu faul bergauf zu fahren, darum lassen sie die Räder in Meeresnähe stehen. Die Fährräder werden nun nachts per Lkw abgeholt und auf die höher gelegenen Stationen verteilt.

Für die Telekommunikationsunternehmen sind die Smart Cities das Zukunftsgeschäft. Der Markt mit Mobilfunkverträgen bei Menschen ist bedient, hier geht es nur noch um die Umverteilung von Marktanteilen, doch bei M2M bekommt Angel David Garcia leuchtende Augen. Er ist Leiter der M2M-Abteilung bei Telefonica. Doch von der Idee einer physischen SIM-Karte in Sensoren, Geräten und Maschinen will er sich nicht lösen. Warum kann Software nicht die Funktion der SIM-Karte übernehmen? „Aus Sicherheitsgründen bei der Identifikation der Rufnummer und aufgrund der Probleme, die bei einem Gerätewechsel entstehen“, sagt Garcia. Hier wirken die Provider in ihrem Denken etwas verhaftet. Dass Ingenieure bei der Verkleinerung sämtlicher Geräten den Platz gut anderweitig gebrauchen könnten, spricht für die Softwarelösung. Auch sie wäre aus der Ferne von einem Rechenzentrum des Providers steuerbar. Der Austausch von SIM-Karten zwischen Geräten wird mit den Mini- und Mirco-Formaten nicht einfacher. Laut Garcia kommt zukünftig eine drittes Format hinzu. Defekte SIM-Karten bei hunderten Sensoren die räumlich weit verteilt sind, ist ebenfalls ein Nachteil der physischen Karten.

Daten Mash-ups

In Beispielstädten wie dem spanischen Santander sind über 20.000 Sensoren per Mobilfunk angeschlossen und liefern Daten. Seien es Verkehrsinformationen, der Warenbestand in einem Verkaufsautomaten oder der CO2-Gehalt an verschiedenen Stellen in der Stadt. Umweltschutz ist ein wesentlicher Aspekt. Bereits zum UN Climat Summit 2009 in Kopenhagen haben das Senseable Lab des amerikanischen MIT sowie andere das Copenhagen Wheel entwickelt. Es ist ein Fahrrad, das Bremsenergie speichert und beim Beschleunigen den Fahrer damit unterstützt. „Gleichzeitig sammelt der Fahrer grüne Meilen“ beschreibt Carlo Ratti vom Senseable Lab die Idee. Die Daten werden in einer App auf einem Smartphone zur Verfügung gestellt: Strecke, „Grüne Meilen“, Verkehrsinformationen und Wetterdaten .

Die Informationen stammen aus unterschiedlichen Quellen, so genannte Daten-Mash-ups sind ein großes Thema. Die Experten wissen zwar, das die Techniken für Smart Metering (Energieverbrauch), Flottenmanagement, Verkehrsführung, E-Health und Sicherheitslösungen eingesetzt werden, doch gibt es viele noch unbekannte Ideen.

Die Smart City braucht Daten

„Wichtig ist der offene Zugang zu diesen Daten“, sagt Jonathan Wareham, Direktor des ESADE Institute for Innovation and Knowledge Management in Barcelona. Nicht die Technik an sich sei die Lösung, sondern deren soziale Einordnung, ist der Wissenschaftler überzeugt. Als Beispiel nennt er die Spielkonsole Nintendo Wii. Ihr Erfolg lag nicht ausschließlich in der neuen Steuertechnik, sondern in der Ansprache neuer Zielgruppen, wie Frauen, Senioren als auch die Familie als Ganzes. Ein Auto war lange Zeit ein Statussymbol, mit Carsharing-Angeboten wie Car2go oder Flinkster in Ballungsräumen wird es wieder zu dem was es ist, ein Transportmittel. Lösungen, die allerdings nur gut funktionieren, weil Apps auf Smartphones sie massenkompatibel machen.

Damit Entwickler neue Lösungen erarbeiten können, stellen viele Städte ihre Daten zur Verfügung. Beispiele sind die Schnittstellen der Datensammlungen von Barcelona, New York und Italien bietet gleich für das gesamte Land eine Plattform. Vielleicht hat man hier auch von Apples Apps-Store gelernt. Die Öffnung der Werkzeugkiste hat nicht nur in der Quantität, sondern auch in der Qualität ganz erstaunliche Lösungen hervorgebracht.

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