Ello macht einfach alles anders: Zugang gibt es nur auf Einladung. Es werden weder Anzeigen noch Nutzerdaten zu Werbezwecken verkauft. Es gibt zum Start im Sommer 2014 keine App. Das Layout ist total reduziert und in schwarz/weiß gehalten. Wie kann man damit Erfolg haben? Als Facebook im vergangenen Jahr Nutzer mit Pseudonym dazu drängt, den echten Namen zu verwenden, entdecken viele Schwule, Lesben und andere kreative Menschen, die einen Künstlernamen verwenden, ello für sich. Im Oktober 2014 verzeichnet das Soziale Netzwerk (Hello nur ohne H) bis zu 50.000 Anmeldungen pro Tag. Über genaue Nutzerzahlen schweigt Gründer Paul Budnitz, doch es dürften weltweit einige Millionen sein. Seinem Profil folgen aktuell 300.000 Menschen.
Wir wollen kein weitere Wal-Mart-große Anzeigenplattform
Dabei sieht er ello keineswegs als Konkurrenz zu Facebook. Mit dem blauen Netzwerk will er überhaupt nicht verglichen werden. Zum Start der App schreibt Budnitz: “Over and over Ello has been compared and measured against Facebook — against their scale, their business plan, and their goals. Which all of us at Ello find totally ridiculous (and a little flattering too). The reason that Ello exists at all is because we never drunk that Kool-aid. We never considered that what we’re doing impossible, mainly because we aren’t looking at at Ello through the lens of all the other shit out there. If we did then we’d have been terrified to even try because you’re right, how could you build another Facebook? But why the hell would we want to do that? We are not interested in creating another Wal-Mart sized advertising platform that dupes people into giving up everything about themselves, just to use what turns out to be a pretty mediocre social network.”
11 Millionen Dollar in der Kasse
Ich habe Paul Budnitz im Januar 2015 in Burlington,Vermont, für eine Magazin-Geschichte besucht. Die Stadt lag unter einer dicken Schneedecke. Der Taxifahrer hatte Mühe, die Adresse zu finden. Das ello-Headquarter versteckt sich in der oberen Etage eines zweistöckigen Gewerbebaus. Unten ist ein Bio-Saftladen und im Lunaroma gibt es esoterischen Düfte. Ein Zettel am Treppenaufgang verrät, das oben ello und Budnitz Bicycles residieren.
Hier sieht alles noch recht provisorisch. Nichts deutet auf ein Millionen-Projekt hin. Dabei erhielten Budnitz und seine sechs Gründungs-Kollegen rund 11 Millionen Dollar Risikokapital, um das werbefreie Netzwerk aufzubauen. Daran arbeiten rund 25 Leute, von denen 15 in Boulder, Colorado sitzen. Ello ist als Public Benefit Corporation eingetragen, somit steht Gewinnerzielung nicht an oberster Stelle.
Es gibt keine Exit-Strategie
“Es gibt keine Exit-Strategie“, sagt Budnitz und dennoch haben sich Geldgeber gefunden. Ello verfolgt ein Freemium-Konzept. Alle Basisfunktionen sind kostenlos. Irgendwann wird es einen “Shop” geben, in dem man Icons und Funktionen für das Netzwerk erwerben kann. Bislang ist das Angebot auf T-Shirts mit dem ello-Logo begrenzt.
So richtig warm geworden, bin ich allerdings mit ello bislang nicht. Mein Profil umfasst drei Beiträge. Wenn ich durch die Bilder (viele GIFs) der Friends und Noise (anderen folgen) blättere, meine ich vor allem Grafik-Designer, Fotografen, Musiker und andere Kreative zu erkennen. Für den Normalo ist das nichts. Hier Bilder der letzte Mallorca-Sause zu posten, wäre irgendwie unpassend.
Dabei sind die Deutschen die drittgrößte Sprachgruppe (nach Englisch und Portugiesisch) bei ello. Das Bild eines aufgeschnittenen Brotlaibs hätten zuerst die Deutschen gepostet, wenn ihnen etwas gefallen hat (es gibt keinen Like-Button). Budnitz gefiel das so gut, er will das Brot-Icon zu einer Bookmark-Funktion ausbauen.
Folgen Sie einem Pferd
Der in Kalifornien aufgewachsene 47-jährige ist sehr deutsch-afffin. Seine Frau stammt aus Trier. Sie fühlt sich in Vermont heimisch, weil es so europäisch ist. “Vermont ist für mich ein Beispiel für ein Amerika wie es sein könnte, wenn der Rest nicht durch totale Kommerzialisierung ruiniert worden wäre“, sagt Budnitz. Billboards (große Werbetafeln) sind hier beispielsweise verboten. Budnitz Karriere begann als Hacker von Software, mit der seine Filme schneiden wollte. Sein Spielfilm “93 Million Meilen von der Sonne“ lief 1998 bei der Berlinale, was ihm ein neunmonatiges Stipendium in Berlin einbrachte. Später gründet er Kidrobot. Die Produkte sind eine Mischung aus Große-Jungs-Spielzeug, Kunst und Sammlerobjekten. Das Unternehmen verkauft er 2011 wieder und konzentriert sich auf die Fahrräder. Die minimalistischen Zweiräder mit Riemenantrieb und Titanrahmen gibt es mit Holzschutzblechen und einem Beer Wrench, einem Schraubenschlüssel mit Bieröffner. Eine Linie durch sein Berufsleben zu ziehen, ist schwer. “Es waren immer design-orientierte Dinge. Und ich hatte Glück, dass meine Kunst immer das finanziert hat, wozu ich gerade Lust hatte“, fasst er es rückblickende zusammen. Damit wird aber auch die ello-Ausrichtung deutlicher.
Das zieht auch hierzulande kreative Köpfe an. Einer davon ist der in Social Media Kreisen bekannte Wolfgang Luenenbuerger-Reidenbach. Als Luebue postet nicht er, sondern sein isländisches Pferd Vordís Beiträge bei ello. Dem zu folgen, ist schon sehr unterhaltsam …
Kommentare anschauen (1)
"Für den Normalo ist das nichts. Hier Bilder der letzten Mallorca-Sause zu posten, wäre irgendwie unpassend."
Genau das macht Ello für mich so attraktiv! Facebook empfand ich als digitale Tortur, was Inhalt und Ästhetik angeht.