Digital

Moderne Kriegsführung

31.01.11

Soldat entwickelt Anti-Taliban-App für das iPhone

Feindliche Stellung fotografieren, Koordinaten übermitteln, Luftwaffe anfordern: Ein US-Soldat hat eine App entwickelt, die die Taliban das Fürchten lehren soll.

Von Florian Flade

Wer bislang dachte, die zahllosen Mini-Programme ("Apps") für Smartphones wären nur für lustige Spielchen zu gebrauchen, der irrt. Der Ernst des Krieges hat längst die Welt der modernen Kommunikationsmittel erreicht und damit auch findige Programmierer auf den Plan gerufen. Da immer mehr US-Soldaten im Irak oder Afghanistan-Einsatz ein iPhone, ein Blackberry oder ein Android-Handy besitzen, stellt sich die Frage: Gibt es eine App, die der Truppe nützlich sein könnte?

Der US-Soldat Jonathan Springer hat den Krieg in Afghanistan hautnah erlebt – und er besitzt ein iPhone. Der 31-Jährige aus Fort Wayne ist seit Mai 2010 im gefährlichsten Gebiet Afghanistans stationiert, dem Pech-River-Valley in der östlichen Provinz Kunar. In keiner anderen Region des Landes ließen mehr US-Soldaten ihr Leben. Taliban und al-Qaida regieren hier die steilen Berghänge, amerikanische Truppen gerade fast täglich in Feuergefechte oder unter Raketen- und Mörserbeschuss.

Als am 25. Juni 2010 zwei Kameraden - einer von ihnen war erst 19 Jahre alt - in einem Taliban-Hinterhalt starben, keimte in Springer der Wunsch, den Soldaten in Afghanistan ihren gefährlichen Einsatz etwas zu erleichtern und vielleicht sogar sicherer machen zu können. "Ich hab lange darüber nachgedacht", sagte der US-Soldat "Welt Online". "Aber die eigentliche Idee kam mir erst im Traum." In einer Nacht im Juli 2010.

"Ich habe viele Soldaten mit iPhones und anderen Handys gesehen und habe mir gedacht: Warum macht das Militär daraus nichts?", so Springer. Die Idee war geboren. Springer wollte eine Software für Handys entwickeln, die ihm und seinen Kameraden im Kampfeinsatz nützliche Dienste erweisen würde. Am nächsten Tag machte er sich daran, seine Idee umzusetzen. "Ich rief meine Frau und meine Eltern in den USA an und erklärte ihnen, was ich vor hatte", so der US-Soldat. "Sie haben mich von Anfang an sehr in meiner Idee unterstützt."

Jonathan Springer kontaktierte einen Software-Entwickler im US-Bundesstaat Arizona und erläuterte ihm seinen Plan: Er wolle eine App für Smartphones entwickeln, die wie ein erweitertes GPS-Gerät funktioniert. Soldaten sollten auf virtuellen Karten Wegpunkte speichern und Feindstellungen markieren können. Die genauen Daten der Position des Feindes sollten dann an Luftwaffe oder Artillerie weitergegeben werden, um Bombenangriffe anzufordern. Die gesamte Navigationselektronik, die ein Soldat im Gefecht benötigt, sollte in ein iPhone passen - so Springers Grundidee. "Es ist im Prinzip nur eine Karte, ein Kompass und eine Kamera", so der App-Erfinder, "und die Karte funktioniert nach einem Referenz-System, das auch unsere Luftwaffe benutzt."

"Im August 2010 habe ich die erste Beta-Version erhalten, um sie draußen im Feld zu testen", berichtet der US-Soldat. "Vor wenigen Tagen habe ich die letzte Version geschickt bekommen." Diese übertreffe seine Erwartungen bei weitem, so Jonathan Springer. Die Software sei nun in der Lage, mit dem Handy aufgenommene Fotos automatisch mit präzisen GPS-Koordinaten zu versehen. Somit können Bilder von bestimmten Gebieten übermittelt und sofort zugeordnet werden. "Der Kompass zeigt in Metern an, wie weit man sich vom Zielpunkt entfernt befindet", erklärt der US-Soldat, der derzeit noch in Afghanistan stationiert ist. "Es gibt eine Art Fadenkreuz, das man auf der Karte bewegen kann und mit dem Ziele markiert werden können. So lassen sich auch Wegpunkte festlegen und verbinden."

Im Osten Afghanistan wurde das App auf die Probe gestellt. Springer testete es auf seinem iPhone und stellte fest, dass die Software mindestens so präzise ist, wie jedes meist sehr kostspielige zivile GPS-Gerät. "Es ist vergleichbar mit den GPS-Geräten, die das US-Militär nutzt", so Springer. "Die Koordinatenangaben sind absolut korrekt. Es funktioniert einwandfrei."

Zwischen 26.000 und 30.000 US-Dollar seiner eigenen Ersparnisse investierte der 31-Jährige bislang in das App-Projekt. Im Februar soll das App namens "TacticalNav" über den App-Store von Apple erhältlich sein, für den Bruchteil des Preises eines regulären GPS-Gerätes.

Von Seiten des amerikanischen Militärs erhielt Jonathan Springer keine Rückmeldung, wie die Entwicklung seiner Software aufgefasst wird. Längst aber hat man im Pentagon begriffen, dass Smartphones zur Grundausstattung vieler US-Soldaten im Einsatz gehören. Inzwischen werde an militärisch-nutzbaren Apps gearbeitet, vermutet Springer, seine Erfindung aber wurde bislang weder kommentiert noch gefördert. "Smartphones sind schon lange nicht mehr nur Telefone", meint er. "Ssie sind kleine, leistungsfähige Computer mit hohem Potenzial, das genutzt werden muss." Sein Programm solle über das Internet nicht nur den US-Truppen zur Verfügung gestellt werden, sondern auch den Soldaten der verbündeten Nato-Staaten.

Vom Friedenseinsatz zum Krieg
Der Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan ist auch für die Bundesregierung kein bloßer "Stabilisierungseinsatz" mehr. Auch Regierungsmitglieder sprechen neuerdings von "bewaffnetem Konflikt" oder gar "Krieg".
Die veränderte Terminologie in Zitaten:
"Es sind Scharmützel, es ist kein Krieg." (Der Parlamentarische Staatssekretär im Verteidigungsministerium, Christian Schmidt (CSU), am 2. September 2008)
"Es handelt sich um einen Stabilisierungseinsatz, zugegeben um einen recht robusten Stabilisierungseinsatz, der Kampfhandlungen miteinschließt." (Der Sprecher des Verteidigungsministeriums, Christian Dienst, am 4. September 2009)
"In Teilen Afghanistans gibt es fraglos kriegsähnliche Zustände". (Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) am 3. November 2009, wenige Tage nach seinem Amtsantritt)
"Ich selbst verstehe jeden Soldaten, der sagt: In Afghanistan ist Krieg, egal, ob ich nun von ausländischen Streitkräften oder von Taliban-Terroristen angegriffen, verwundet oder getötet werde." (Guttenberg am 3. November 2009)
"Die Intensität der mit Waffengewalt ausgetragenen Auseinandersetzung mit Aufständischen und deren militärischer Organisation führen uns zu der Bewertung, die Einsatzsituation von ISAF auch im Norden Afghanistans als bewaffneten Konflikt im Sinne des humanitären Völkerrechts zu qualifizieren. Ob uns das politisch gefällt oder nicht: So ist die Lage." (Außenminister Guido Westerwelle (FDP) 10. Februar 2010 im Bundestag)
"Auch wenn es nicht jedem gefällt, so kann man angesichts dessen, was sich in Afghanistan, in Teilen Afghanistans abspielt, durchaus umgangssprachlich – ich betone umgangssprachlich – in Afghanistan von Krieg reden". (Guttenberg am 4. April 2010)
"Was wir am Karfreitag bei Kundus erleben mussten, das bezeichnen die meisten verständlicherweise als Krieg – ich auch." (Guttenberg am 10. April 2010 bei der Trauerfeier für die drei gefallenen Soldaten)
"Die meisten Soldatinnen und Soldaten nennen es Bürgerkrieg oder einfach nur Krieg. Und ich verstehe das gut." (Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am 10. April 2010. Ähnlich äußert sich Merkel auch in der Regierungserklärung vom 22. April)
"Krieg ist traditionell eine militärische Auseinandersetzung zwischen zwei oder mehr Staaten mit der Absicht der Eroberung oder Unterdrückung. Das ist in Afghanistan erkennbar nicht der Fall." (Westerwelle am 18. April 2010 in der "Bild am Sonntag")
"Ich habe für die Bundesregierung im Deutschen Bundestag erklärt, dass es sich um einen bewaffneten Konflikt handelt. Das mag manchem nicht gefallen haben, aber so gefährlich ist die Lage. Etwas Gefährlicheres gibt es im Völkerrecht nicht." (Westerwelle am 18. April 2010)
Afghanistan
Bilder aus einem geschundenen Land

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